Interview

Leadership bedeutet, auch in der Transformation ein stückweit voranzugehen.

Im Gespräch mit Meike Rapp, Director Sustainability bei BRITA

Wie hat sich das Verständnis und die Beschäftigung mit Nachhaltigkeitsthemen bei BRITA entfaltet?

Unser Unternehmen hat sich schon früh mit ökologischer Nachhaltigkeit, der Nutzung regenerativer Stromquellen und Energieeffizienz beschäftigt. Allerdings haben wir uns erst 2020 auch wirklich konzeptionell mit dem Thema auseinandergesetzt, als Nachhaltigkeit umfassend in die neue Geschäftsstrategie integriert wurde. Damit ging die Notwendigkeit einher, Nachhaltigkeit strukturiert, differenziert und ganzheitlich zu betrachten. Das erfolgte in verschiedenen Fachbereichen und betraf die Bereichs- und Produktstrategien sowie die Organisationsstruktur. So wurde einerseits eine Abteilung gegründet, die regelmäßig an den Vorstand berichtet. Und andererseits wurden in den einzelnen Fachbereichen und Tochtergesellschaften Ansprechpartner für Nachhaltigkeitsthemen definiert, die regelmäßig im Austausch miteinander sind. Diese Struktur entwickelt sich weiter – ebenso wie unsere Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit. 

In welche Richtungen geht diese Weiterentwicklung?

Die Ökologie, also die Nachhaltigkeit der Produkte sowie natürlich die Themen Ressourcen- und Klimaschutz, steht nach wie vor sehr stark im Fokus. Da glauben wir, den größten Unterschied machen zu können. Wir gehen aber auch davon aus, dass soziale Aspekte, die bei BRITA tief in der Unternehmenskultur verankert sind, ebenfalls konkretisiert werden und in eine integrierte Nachhaltigkeitsstrategie einfließen werden. Was das G in ESG betrifft, sind wir noch nicht ganz so weit. Diesen Stand teilen wir mit vielen familiengeführten, nicht-börsennotierten Unternehmen. Ein weiterer Faktor ist, dass wir in den letzten zehn Jahren sehr stark gewachsen und inzwischen ein Unternehmen mit über 2.300 Mitarbeitenden sind. Und je mehr wir wachsen, desto wichtiger wird es, dass wir uns im Bereich Governance noch klarer strukturieren. Dadurch sind wir auch weiterhin gut aufgestellt, um neuen Herausforderungen zu begegnen und neuen Anforderungen gerecht zu werden. 

Betrifft dieser Prozess auch die unternehmensübergreifenden Aspekte der Nachhaltigkeit, die ja zunehmend an Bedeutung gewinnen, inhaltlich und regulatorisch?

Spätestens seit wir uns mit dem Carbon Footprint des Gesamtunternehmens und insbesondere mit den Scope-3-Emissionen detailliert auseinandersetzen, ist offensichtlich, dass ambitionierte Ziele, bis hin zu Net Zero, ohne die Lieferkette nicht erreichbar sind. Wir können unser eigenes Haus sauber halten und bis zu einem gewissen Grad durch Materialentscheidungen für die Produkte von BRITA bestimmte Faktoren beeinflussen. Aber in unserer hochspezifischen, in großen Teilen regulierten Industrie, können wir ohne unsere zuliefernden Unternehmen das Thema nicht stemmen. Im Bereich der Wasserfiltration sind wir eines der markt- und wissensführenden Unternehmen. Wir sind es daher gewohnt, unser Know-how an unsere Partner in der Lieferkette weiterzugeben. Jetzt brauchen wir verstärkt deren Expertise, um im Hinblick auf Nachhaltigkeit besser zu werden. Das erfordert, nicht zuletzt im Einkauf, ein Umdenken und eine andere Art der Zusammenarbeit. Und natürlich sollte man zeigen können, dass man selbst die Anstrengungen unternimmt, die man von den Partnern erwartet.

Was Sie beschreiben, ist der Upstream-Aspekt der Scope-3-Betrachtung. Wie gehen Sie mit dem Thema Downstream um?

Unser Partner im Downstream ist der Einzel- bzw. Fachhandel, der natürlich auch Anforderungen an uns hat. Das betrifft zum Beispiel Anforderungen an Verpackungen oder auch unseren Beitrag zur Erreichung seiner Klimaziele. Solche Themen müssen wir nicht nur technologisch und prozessual beherrschen. Sondern wir müssen hier eng mit den zuliefernden Unternehmen zusammenarbeiten. Darüber hinaus gilt es, unseren Kund:innen Anreize zu bieten, um die genutzten BRITA-Kartuschen zum Recycling an uns zurückzugeben. Das ist eine Herausforderung.

Wird die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsthemen generell komplexer und vielfältiger?

Wir führen gerade einen Prozess zur Wesentlichkeitsbestimmung im Rahmen der CSRD durch. Dabei wird deutlich, wie groß die Themenvielfalt ist und wie differenziert sie betrachtet werden muss. Dafür existieren bei BRITA bereits viele Strukturen und Instrumente, auf die man aufsetzen kann, wie etwa Experten für Umweltschutz, Verpackung oder Abfallmanagement. Und natürlich steht bei uns auch die optimierte Nutzung von Wasser, etwa durch Kreislaufführung, auf der Agenda. Allerdings sind die Fragestellungen komplexer und deutlich konkreter geworden. Generell haben wir den Vorteil, dass unsere eigenen Produktionsprozesse in ökologischer und energetischer Hinsicht vergleichsweise unkritisch sind. Für Unternehmen, die schwierigere Produktionsbedingungen haben, haben diese Themen nochmal eine andere Tragweite.

Wenn Nachhaltigkeit zum strategischen Faktor wird, muss sie mit anderen Entscheidungskriterien verzahnt und in finanzielle sowie industrielle Kennzahlen übersetzt werden. Wie geht BRITA mit dieser Herausforderung um?

Das ist mit die größte Herausforderung, vor der die Industrie heute steht. Die Kostenperspektive ist tief verankert und prägt sehr stark die Entscheidungsprozesse. Sie mit der Nachhaltigkeitsperspektive zu integrieren, so, dass zum Beispiel Investitionsentscheidungen beiden Kriterien genügen, ist eine komplexe Aufgabe. Sie erfordert einerseits eine Veränderung des Mindsets, was eine gewisse Zeit braucht. Andererseits fehlen heute etablierte Verfahren und Standards, um Nachhaltigkeitsindikatoren in finanzielle Kennzahlen zu übersetzen. Und schließlich gibt es auf der Marktseite viele Unsicherheiten. Nachhaltige Materialien sind häufig teurer. Die Verbraucher:innen erwarten zwar, dass die Industrie nachhaltige Produkte anbietet. Doch wie hoch die Bereitschaft ist, dafür etwas mehr zu bezahlen, ist schwer zu beantworten. In unserer Strategie sind finanzielle Ziele und Nachhaltigkeitsziele gleichrangig verankert. Aktuell überlegen wir, mit welchen Instrumenten dies auch in Zahlen ausgedrückt und als Entscheidungskriterium besser verankert werden kann.

Wie groß ist das Risiko, dass Nachhaltigkeitsthemen angesichts globaler Verwerfungen und dringender Probleme, die die Gesellschaft stark beschäftigen, also zum Beispiel Inflation und hohe Energiepreise, aus dem Fokus geraten?

Ich denke, dass sich eine gewisse Krisenermüdung und Überforderung beobachten lässt. Das führt teilweise dazu, dass bestimmte Themen ignoriert werden oder aktive Antihaltungen entstehen. Damit müssen wir als Gesellschaft umgehen. Ich sehe aber auch, dass Nachhaltigkeit gerade für jüngere Generationen weiterhin enorm wichtig ist. Sie wissen, dass die ökologischen und klimatischen Herausforderungen nicht verschwinden, bloß weil aktuell andere Nachrichten die Headlines dominieren. Und sie haben weiterhin entsprechende Erwartungen an die Industrie und ihre Produkte. Für Unternehmen ist es deshalb wichtig, inmitten dieser Dynamik Kurs zu halten, wertebasiert zu handeln und die nachhaltige Transformation weiter voranzutreiben. Meine Hoffnung ist, dass wir es schaffen, stärker über Erfolge zu sprechen, und Ideen schneller und unkomplizierter zu testen. Im Hinblick auf Nachhaltigkeit lassen sich viele Konzepte im kleineren Rahmen ausprobieren. Das, was funktioniert kann man dann in einen größeren Rahmen überführen. So erzeugen wir einen buy-in und wirken Ängsten und negativen Haltungen entgegen.

BRITA ist Kategorienführer und Synonym für die Wasserfiltration. Was ergibt sich daraus, gerade mit Blick auf die Nachhaltigkeit?

Grundsätzlich ist das Geschäftsmodell der Wasserfiltration ja per se nachhaltig und wird von Verbraucher:innen so wahrgenommen. Dennoch kommt mit der Rolle des Kategorienführers, gerade im Haushaltssegment, eine besondere Verantwortung, die wir annehmen und in unserer Strategie reflektieren. Category Leadership bedeutet auch, in der Transformation ein stückweit voranzugehen. Im Hinblick auf Nachhaltigkeit können und wollen wir diese Rolle künftig noch stärker und bewusster ausfüllen. 

Welche Erwartungen knüpft BRITA an die Partnerschaft mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis DNP, welche Impulse sind bereits entstanden?

Wir waren im Jahr 2022 zum ersten Mal beim DNP dabei. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, beim Thema Nachhaltigkeit den Dialog mit der Fach-Community zu suchen und uns auch kritischen Perspektiven ausgewiesener Nachhaltigkeitsexperten auszusetzen. Und wir wollten nach innen und außen signalisieren, dass das Thema für uns eine strategische, langfristige Relevanz hat. Umso mehr hat uns gefreut, dass wir viel Zuspruch für unsere Präsenz, unser Engagement und unsere Projekte bekommen haben. Generell eröffnet die Teilnahme am Deutschen Nachhaltigkeitstag wertvolle Möglichkeiten zum Austausch mit anderen Unternehmen und Expert:innen. Die Diskussionen helfen dabei, die eigene Strategie zu reflektieren und in Breakout-Sessions ins fachliche Detail zu gehen. Gleichzeitig bringt der DNP große Fragen der Transformation in den öffentlichen und fachlichen Diskurs und sorgt dafür, dass sie Aufmerksamkeit und Unterstützung finden. Das ist heute besonders wichtig. Deshalb setzen wir darauf, dass der DNP diese wertvolle Plattform auch in Zukunft bietet.