Interview

„Kollaboration und
Transparenz sind die
Treiber der Transformation.“

Im Gespräch mit Matthias Münzing, Regional Sales Director DACH bei EcoVadis

Herr Münzing, EcoVadis zählt zu den wichtigsten Promotoren der nachhaltigen Transformation im Einkauf und Lieferkettenmanagement. Welche Vision verfolgen Sie und wie gehen Sie vor, um den Wandel zu beschleunigen?

Die Vision von EcoVadis ist ein globaler Markt, in dem Nachhaltigkeitskriterien bei jeder Geschäftsentscheidung berücksichtigt werden. Diesen Transformationsprozess unterstützen wir aus zwei Perspektiven. Einerseits stellen wir den Unternehmen validierte Daten und eine zuverlässige Methodik zur Verfügung und zeigen Ansätze und Instrumente auf, um effektiv Veränderungen anzustoßen. Andererseits setzen wir auf Kooperationsmodelle und Kaskadeneffekte in der Lieferkette, von denen alle Beteiligten profitieren. Heute gibt es etwa 1.300 große Unternehmen, die ihre Einkaufsprozesse mit EcoVadis steuern und weiterentwickeln. Über sie erreichen wir hunderttausende Lieferanten, die ebenfalls beginnen, Verbesserungsmaßnahmen zu treffen. Wir unterstützen jedoch nicht nur die Zusammenarbeit zwischen Einkaufsorganisationen und ihren Lieferanten, sondern fördern auch branchenweite Initiativen. Dabei liegt der Fokus auf der gemeinsamen Entwicklung und Etablierung von Best Practices und der Verbindung von Sustainable Procurement Ansätzen mit branchenspezifischen Themen und Maßnahmen.

"Es reicht nicht, wenn einzelne Player Fortschritte machen, 
um die Lieferketten nachhaltig und zukunftsfest zu machen,
es braucht großflächiges Engagement."

Spielen auch branchenübergreifende Gesichtspunkte dabei eine Rolle?

Die Lieferketten vieler Branchen überschneiden sich, diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren weiter verstärken. Deshalb muss die Methodik branchenübergreifend funktionieren. So kann beispielsweise ein von uns bereits bewerteter Lieferant in der Elektronikindustrie auch für die Automotive Supply Chain relevant werden. Daher funktioniert unsere Bewertungsmethodik branchenübergreifend, da sie auf das Nachhaltigkeitsmanagementsystem eines Lieferanten ausgelegt ist und nicht auf die Produktebene. Das hilft den Unternehmen beim effizienten Aufbau einer nachhaltigen Lieferkette und beschleunigt insgesamt die Transformation.

Welche generellen Veränderungen im Umgang mit Nachhaltigkeitsthemen beobachten Sie und welche Rolle spielen dabei die gesetzlichen Vorgaben?

Unternehmen erkennen die Nachhaltigkeit zunehmend als strategisches Thema, das einen eminenten Einfluss auf ihre Zukunftschancen hat. Gerade die Vorreiter der Transformation sorgen dafür, dass unterschiedliche Aspekte der Nachhaltigkeit zusammengeführt und ganzheitlich gesteuert werden. Dabei wird die Rolle der Gesetzgebung oft positiv gesehen: Sie beschleunigt den Wandel und verleiht den Initiativen in den Unternehmen mehr Dringlichkeit und Schlagkraft. So sehen beispielsweise viele unserer Kunden das LkSG als Hebel, um ihre Lieferketten resilient und wirtschaftlich aufzustellen und die Chancen der nachhaltigen Transformation fokussiert anzugehen.

Was ist erforderlich, um die von EcoVadis bereitgestellten Daten und Tools im Einkauf und Lieferkettenmanagement erfolgreich zu nutzen?

Im Einkauf tritt Nachhaltigkeit als zusätzliches Entscheidungskriterium neben Faktoren wie Qualität, Kosten, Risiko oder Verfügbarkeit. Dafür braucht es zusätzliche Kompetenzen, validierte und mit den Datenmodellen der Unternehmen integrierbare Daten, und schließlich die Einbindung der Daten in Steuerungssysteme, um sie operativ wirksam zu machen. EcoVadis unterstützt die Unternehmen dabei mit Schulungsangeboten, der Bereitstellung der Datenbasis und der Implementierung einer breit anerkannten Methodik. Dabei werden  die Kategorien Umwelt, Arbeits- und Menschenrechte, Ethik und nachhaltige Beschaffung branchenspezifisch ausgestaltet und gewichtet. So schaffen wir ein System, das ein objektives und ganzheitliches Nachhaltigkeitsmanagement ermöglicht.

Wie komplex ist die Aufgabe, die unterschiedlichen Nachhaltigkeitskategorien in der gesamten Lieferkette transparent zu machen und welche Fortschritte beobachten Sie?

In vielen Lieferketten ist es anspruchsvoll, eine durchgängige Transparenz über alle Partner hinweg zu gewährleisten und alle Aspekte methodisch fundiert und valide zu erfassen. EcoVadis unterstützt und begleitet diesen Prozess mit einem durchgehenden und ganzheitlichen Ansatz. So haben wir etwa das auf Monitoring von Menschenrechten spezialisierte Unternehmen Ulula erworben, um die ESG-Berichterstattung durch entsprechende Informationen zu verbessern.

Generell beobachten wir zunehmende Kaskadierungs- und Netzwerkeffekte, die dazu führen, dass immer weitere Stufen der Lieferkette in ein integriertes System eingebunden werden. Immer mehr Unternehmen wollen ein klares Bild ihrer Position haben und Risiken und Schwachpunkte genau verstehen. Das geht nur partnerschaftlich. Erst eine umfassende, gemeinsam gewonnene Transparenz schafft die Voraussetzungen, um die richtigen Ziele mit den richtigen Instrumenten anzugehen. Kollaboration und Transparenz sind also die Treiber der Transformation.

Lassen sich diese Beobachtungen quantitativ unterfüttern?

Ja. Wir führen zum einen eine zweijährliche Studie durch, bei der hunderte Einkaufsorganisationen und Lieferanten analysiert werden. Zum anderen monitoren und analysieren wir in unserem Network Impact Report die Leistung und Entwicklung der bewerteten Unternehmen in unserem Netzwerk. Die Ergebnisse zeigen, dass Unternehmen, die damit beginnen, die Transparenz herzustellen, in der      Folge auch aktiv Maßnahmen umsetzen. Mehr als drei Viertel der von uns bewerteten Unternehmen verbessern bereits im zweiten Jahr ihre Position.

Der 17. DNT steht unter dem Motto „Leadership in schwierigen Zeiten“. Sehen Sie die Gefahr, dass die nachhaltige Transformation angesichts akuter Krisen und Unsicherheiten ins Stolpern kommt?

Akute Krisen führen dazu, dass Ressourcen und Aufmerksamkeit anders verteilt werden und Prioritäten sich kurzfristig verschieben. Wir müssen uns dennoch Herausforderungen wie Ressourcenknappheit, Klimawandel, Biodiversitätsverlust oder dem Schutz der Menschenrechte stellen, die enormen Einfluss auf die Lebensfähigkeit unseres Planeten und unserer Gesellschaft haben. Unternehmerisches Handeln kann nicht außerhalb dieses Kontextes gedacht werden.

Unternehmen brauchen deshalb gerade jetzt eine umfassende Transparenz über ihre Lieferketten – als Basis stabiler, resilienter Prozesse, als Schutz gegen Disruptionen und Sanktionen und als Voraussetzung ethischer und sozialer Integrität. Diese Erkenntnis setzt sich immer stärker durch. Sehr viele unserer Kunden, die in der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage konsolidieren müssen, stellen ihre Nachhaltigkeitsinitiativen deshalb unter Schutz.

Welche Impulse will EcoVadis durch die strategische Partnerschaft mit dem DNP setzen?

Der DNP zeichnet die Vorreiter der Transformation aus und setzt damit Impulse, um den Wandel in die Breite und in die Tiefe zu tragen. Diese Vision und diesen Anspruch teilt EcoVadis. Wir sind überzeugt, dass es nicht reicht, wenn einzelne Player Fortschritte machen, um die Lieferketten nachhaltig und zukunftsfest zu machen, es braucht großflächiges Engagement. Durch die Partnerschaft mit dem DNP wollen wir unser Knowhow und unsere Erfahrungen teilen und eine intensive Zusammenarbeit über Branchen- und Sektorengrenzen hinweg unterstützen. Viele Ideen, die unsere Arbeit prägen, entstehen im offenen, interdisziplinären Austausch – dafür steht der DNP mit seiner einzigartigen Plattform.