Unsere Vision:
„Wasser für alle –
alle für Wasser“

Im Interview mit Mario Klütsch, Geschäftsführer, Viva con Agua

Wie organisiert und steuert ihr die Komplexität und Spannung zwischen einem Unternehmen, das Gewinn erwirtschaften muss, und seiner Einbettung in eine sozial orientierte Organisation?

Viva con Agua versteht Unternehmer*innentum als Möglichkeit, sozialen Mehrwert zu schaffen. Wirtschaftlicher Erfolg ist für uns Mittel zum Zweck. Im Herzen und Kern ist Viva con Agua e. V. ein gemeinnütziger Verein, der sich für den Zugang zu sauberem Trinkwasser einsetzt. Gewinne fließen zurück in unsere Vision „Wasser für alle – alle für Wasser“. Natürlich gibt es Zielkonflikte: Zwischen Marktlogiken und sozialem Auftrag, Wachstum und Nachhaltigkeit, Effizienz und Beteiligung. Mit diesen Spannungsfeldern gehen wir bewusst um. Wir fördern Transparenz und binden viele Perspektiven in Form von partizipativen Prozessen ein – von Partnerorganisationen in den Projektländern bis hin zu unseren Communitys hier vor Ort. Die Steuerung funktioniert durch klare Prinzipien: Gemeinwohlorientierung, langfristige Wirkung und Freude am Engagement. Wenn Zielkonflikte auftreten, prüfen wir konsequent, welche Entscheidung unserem Kernanliegen dient. So gelingt es uns, Wirtschaftlichkeit und Sozialorientierung als sich verstärkende Kräfte zu begreifen.

Wenn ihr von euch als einer All-Profit-Organisation sprecht, dann ist das also mehr als ein sprachliches Augenzwinkern?

Wir stehen mit Viva con Agua heute dort, wo wir sind, weil wir Strukturen und Ansätze immer wieder kritisch hinterfragen. Dinge neu zu denken und anders zu machen, liegt in unserer DNA. Bei Viva con Agua zeigen wir, dass Engagement Freude macht. Unser Leitgedanke ‚All Profit‘ beschreibt genau das: Alle, die sich bei uns engagieren und Gutes bewirken, sollen selbst auch einen Mehrwert daraus ziehen. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist das Sammeln von Pfandbechern bei Festivals, Konzerten und in Fußballstadien. Ehrenamtliche verbringen dabei Zeit mit tollen Menschen, erleben ihre Lieblingskünstler*innen oder -teams, erfahren Wertschätzung von den Pfandspender*innen. Gleichzeitig entsteht durch diese Aktion jährlich ein hoher sechsstelliger Beitrag für unsere Arbeit. So verbinden wir sinnstiftendes Engagement mit positiven Erfahrungen für alle Beteiligten.

"Ich verstehe Nachhaltigkeit als ein ganzheitliches Prinzip, das unsere ökologische, soziale und ökonomische Verantwortung miteinander verbindet. Das bedeutet, Ressourcen so zu nutzen, dass kommende Generationen die gleichen Chancen haben wie wir, und zugleich die Menschen, die heute keinen Zugang zu grundlegenden Ressourcen wie Wasser haben, nicht zu vergessen."

Bei Wasser denken wir vor allem an die unmittelbare Versorgung von Menschen, Tieren und Pflanzen. Ihr zieht einen weiteren Kreis. Welche Themen seht ihr, die sich um Wasser ranken?

Die Erde besteht zu rund 70 % aus Wasser, doch weniger als 1 % davon ist als Trinkwasser nutzbar. Noch immer haben etwa 696 Millionen Menschen keinen gesicherten Zugang dazu.

Wasser ist politisch. Seine Verfügbarkeit ist seit 2010 gemäß Vereinter Nationen ein Menschenrecht. Doch politische Entscheidungen bestimmen, wie Wasser verteilt wird, wem es gehört, und wer ausgeschlossen bleibt. Fragen wie Privatisierung, Infrastruktur und Klimapolitik sind Wasserfragen.

Wasser ist sozial, weil es Gemeinschaft schafft, aber auch Ungerechtigkeit verstärkt: Fehlender Zugang bedeutet Krankheit, Armut und Bildungsungleichheit.

Wasser ist wirtschaftlich, da Landwirtschaft, Industrie und Energie von dieser Ressource abhängen. Gleichzeitig steht der wirtschaftliche Nutzen oft im Spannungsfeld zu Menschenrechten.

Für uns bei Viva con Agua heißt das: Wir nutzen die Kraft von Wasser, um Bewusstsein zu schaffen, Menschen zu verbinden und konkrete Projekte weltweit zu ermöglichen. Wasser ist Leben – und der Zugang dazu muss für alle gesichert werden.

Viele nationale Regierungen fahren ihr Entwicklungshilfe-Engagement zurück. Erleben wir einen prinzipiellen humanitären Rückschritt und eine Politisierung der Entwicklungshilfe?

Wir beobachten diese Entwicklung mit Sorge. Diese Kürzungen haben direkte Auswirkungen auf die ohnehin besonders vulnerablen Gruppen und Organisationen, die für sie Entwicklungsarbeit leisten. 2024 war auch für uns ein Jahr, in dem wir Sparmaßnahmen ergreifen mussten, weil eingeplante institutionelle Einnahmen ausgeblieben sind. Das hat uns vor Augen geführt, wie wichtig eine solide Basis der Spenden-Community und unsere Social-Business-Modelle sind, um Wasser-Projekte langfristig abzusichern. Als Viva con Agua wollen wir weiterhin laut sein für sauberes Trinkwasser, unabhängig von politischen Zyklen.

Wo seht ihr in den kommenden Jahren neue Ansätze und Möglichkeiten für eure Arbeit? Wo setzt ihr Schwerpunkte in eurer unternehmerischen und sozialen Arbeit?

Wir wollen unsere internationalen Wasser-, Sanitär- und Hygieneprojekte (WASH) gemeinsam mit lokalen Partner*innen stärken und resilient gestalten und gleichzeitig unser Engagement im Globalen Norden nutzen, um noch mehr Menschen für das Menschenrecht auf Wasser zu sensibilisieren und aktiv einzubinden. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Verknüpfung und gegenseitigen Verstärkung von sozialem und unternehmerischem Handeln. Wie das erfolgreich funktioniert, zeigen wir mit unseren Social Businesses – wie dem Viva con Agua Mineralwasser oder Trinkwasserspendern. Diesen Ansatz werden wir weiter ausbauen und dadurch sowohl Spenden generieren als auch nachhaltige Geschäftsmodelle schaffen, die weltweit Wirkung entfalten.

Wir sehen auch großes Potenzial im Bereich Kunst, Musik und Sport. Diese universellen Sprachen wollen wir nutzen, um junge Zielgruppen für unsere Vision zu begeistern, Communities zu aktivieren und eine Kultur der Solidarität zu fördern. Darin liegt eine große Chance für einen Beitrag zur langfristigen Finanzierung und Sichtbarkeit unserer Projekte.

Was ist Dein persönliches Bild von Nachhaltigkeit, und welche Vision verbindest Du mit deiner Arbeit bei Viva con Agua?

Ich verstehe Nachhaltigkeit als ein ganzheitliches Prinzip, das unsere ökologische, soziale und ökonomische Verantwortung miteinander verbindet. Das bedeutet, Ressourcen so zu nutzen, dass kommende Generationen die gleichen Chancen haben wie wir, und zugleich die Menschen, die heute keinen Zugang zu grundlegenden Ressourcen wie Wasser haben, nicht zu vergessen.

Meine Vision und persönlicher kleiner Beitrag bei Viva con Agua ist es, durch unsere Arbeit zu zeigen, dass Freude, Kreativität und Gemeinschaft echte Treiber für nachhaltige Veränderung sind. Wir stehen dafür ein, dass soziales Engagement und unternehmerisches Handeln Hand in Hand gehen können: Mit unseren Projekten schaffen wir nicht nur Zugang zu sauberem Trinkwasser, sondern auch langfristige Strukturen, die wirken, wenn wir längst nicht mehr vor Ort sind.